Geschichte der Alttestamentlichen Wissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät

Seit der Gründung der Universität Bonn durch Friedrich-Wilhelm III. von Preußen im Jahr 1818 gehört ihr eine Evangelisch-Theologische Fakultät an. Ein Jahr später beginnt auch die Geschichte der Alttestamentlichen Wissenschaft in Bonn.

Beginn im 19. Jahrhundert

1818 wird die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als letzte von drei preußischen Universitätsgründungen gegründet. Trotz des Standortes im mehrheitlich katholischen Rheinland sind von Beginn an eine Evangelisch- und eine Katholisch-Theologische Fakultät gleichberechtigt Teil der Universität. Die beiden Theologischen Fakultäten sind mit je vier Professuren ausgestattet. Der erste Professor, der zum Alten Testament und seinem Umfeld forscht, kommt 1819, ein Semester nach der Gründung der Universität, nach Bonn.

Gründung
© Volker Lannert / Universität Bonn
Heute
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Die folgenden 200 Jahre

Die folgenden gut 200 Jahre bieten eine wechselhafte Geschichte der Fakultät und auch des Faches Altes Testament in Bonn. Zahlreiche namhafte Forscher auf dem Gebiet der Alttestamentlichen Wissenschaft prägten die Fakultät im Laufe der Jahre und verfassten einflussreiche und viel diskutierte Werke in ihrer Bonner Zeit.  

Von der Gründung bis ins 20. Jahrhundert

Die Geschichte der Alttestamentlichen Wissenschaft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn nimmt ihren Anfang nicht im Gründungsjahr der Universität 1818, sondern setzt mit der Berufung Johann Augustis zu Ostern 1819 ein. Er lehrte bis 1841 neben der christlichen Archäologie auch Altes Testament und orientalische Sprachen. Augusti stand der Fakultät als ihr erster Dekan vor und konnte dabei seine Erfahrungen aus den vorangegangenen Jahren an der Universität Breslau, an der er 1812/1813 als Rektor amtierte, fruchtbar machen.

Noch vor Augusti wurde 1818 Friedrich Lücke nach Bonn berufen und vertrat hier bis 1827 neben der Kirchengeschichte die Wissenschaft vom Neuen Testament. Als Lückes Nachfolger wirkte von 1829 bis 1859 Friedrich Bleek, der sich mit der Exegese des Alten und des Neuen Testaments befasste.

Neben Bleek lehrte von 1847 bis 1850 Johann Georg Sommer als außerordentlicher Professor für Biblische Altertumswissenschaft und Exegese. Sein Nachfolger war von 1857 bis 1862 Ludwig Diestel, der zudem seit 1854 als erster Inspektor des neu gegründeten Bonner Evangelisch-Theologischen Stifts amtierte.

Auf Bleek folgte zunächst von 1859 bis 1866 Konstantin Schlottmann, bevor von 1866 bis 1868 August Köhler das Ordinariat für Altes Testament in Bonn versah.

Als Nachfolger Diestels wurde bereits 1863 Adolf Kamphausen außerordentlicher, als Nachfolger Köhlers dann 1868 ordentlicher Professor für Altes Testament. Der Schüler Bleeks gab dessen „Einleitung in das Alte Testament“ aus dem Nachlass heraus; das Buch avancierte zu einem Standardlehrwerk des 19. Jahrhunderts, das in späteren Auflagen von Julius Wellhausen bearbeitet wurde. Kamphausen selber trat u.a. durch seine Forschungen zum Danielbuch hervor, engagierte sich ab 1871 aber auch als Mitglied der theologischen Kommission bei der Revision der Lutherbibel. Kamphausen wurde 1900 emeritiert.

Neben Kamphausen vertrat Karl Budde von 1879 bis 1889 als Extraordinarius die Alttestamentliche Wissenschaft und amtierte zugleich als Inspektor des Bonner Evangelisch-Theologischen Stifts. Buddes für die Pentateuchkritik wichtige Studie „Die Biblische Urgeschichte“ erschien 1883 während seiner Bonner Jahre. Johannes Meinhold wirkte als Nachfolger Buddes von 1889 bis 1928 und trat durch seine Forschungen zum Jesaja- und zum Danielbuch sowie zur alttestamentlichen Weisheit hervor.

Das 20. Jahrhundert

Als Nachfolger Kamphausens lehrte Eduard König von 1900 bis 1921 in Bonn. König widmete sich von der Grammatik des Hebräischen bis hin zur Hermeneutik des Alten Testaments allen wichtigen Gegenständen der Alttestamentlichen Wissenschaft. Seine Kommentare zum Deuteronomium, zur Genesis, zu Jesaja, zu den Psalmen und zu Hiob zeichnen sich durch eine große philologische Sorgfalt aus und sind bis heute mit Gewinn zu lesen.

Als Experte für die alttestamentlichen Propheten, insbesondere das Ezechielbuch, und die hebräische Poesie und Metrik gilt Gustav Hölscher, mit dessen Berufung 1929 eine Glanzphase der Bonner Fakultät einsetzte, die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten abbrach und zu einem jähen Niedergang führte. Hölscher, der neben Karl Barth und Karl Ludwig Schmidt zu den herausragenden Vertretern der Fakultät zu Beginn der 1930er Jahre zählte, wurde 1935 nach Heidelberg versetzt.

An Stelle Hölschers vertrat von 1935 bis 1945 Anton Jirku, Mitglied der NSDAP und überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie, die Alttestamentliche Wissenschaft an der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät, die allerdings nur noch wenige Studenten hatte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Jirku aus dem universitären Dienst entlassen.

Mit Martin Noth, der zuvor Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Königsberg gelehrt hatte, wirkte von 1945 bis 1967 einer der herausragenden Vertreter der Alttestamentlichen Wissenschaft und der Biblischen Archäologie an der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät. Noths zahlreiche Arbeiten zum Pentateuch, zum Deuteronomistischen Geschichtswerk, zur Geschichte Israels und zur Palästinaarchäologie gehören zu den einflussreichsten Forschungsbeiträgen des 20. Jahrhunderts.

Neben Noth trugen von 1951 bis 1954 Hans-Joachim Kraus und von 1955 bis 1976 Otto Plöger zum guten Ruf der Bonner Alttestamentlichen Wissenschaft bei. Plögers Schwerpunkte lagen im Bereich der Auslegung des Proverbienbuches und der spätnachexilischen Theologiegeschichte, für deren Verständnis seine 1959 erschienene Studie „Theokratie und Eschatologie“ einen wichtigen Beitrag leistete.

Als Nachfolger Noths wurde der Niederländer Antonius H. J. Gunneweg berufen, der von 1968 bis 1987 in Bonn lehrte. Gunneweg machte sich insbesondere mit seiner 1977 erschienenen Hermeneutik „Vom Verstehen des Alten Testaments“ einen Namen, trat aber auch durch seine „Geschichte Israels“, seine Kommentare zum Esra- und zum Nehemiabuch sowie seine „Biblische Theologie des Alten Testaments“ hervor.

Lienhard Delekat war von 1970 bis 1993 Professor für Altes Testament an der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Seine Arbeitsschwerpunkte lagen im Bereich der semitischen Philologie, insbesondere der Aramaistik.

Nachfolger Plögers wurde Hans-Jürgen Hermisson, der sich von 1977 bis 1982 in Bonn und später in Tübingen der Erforschung der alttestamentlichen Weisheitsliteratur und der Prophetie, insbesondere Deuterojesajas, widmete.

Als Nachfolger Hermissons kam 1984 mit Werner H. Schmidt einer der renommiertesten Alttestamentler seiner Generation nach Bonn. Arbeitsschwerpunkte Schmidts liegen im Bereich der Religionsgeschichte und Theologie des Alten Testaments, der Pentateuchkritik, insbesondere dem Buch Exodus, und der Exegese des Jeremiabuches. Seine Lehrbücher „Alttestamentlicher Glaube [in seiner Geschichte]“ und „Einführung in das Alte Testament“ erschienen in zahlreichen Auflagen und haben Generationen von Theologiestudierenden den Weg in das Alte Testament gewiesen. Nach Schmidts Emeritierung im Jahr 2000 wurde die Professur aufgrund von Sparmaßnahmen nicht wieder besetzt.

Nachfolger Gunnewegs wurde Horst Seebass, der von 1989 bis 1999 in Bonn wirkte. Zusammen mit Schmidt vertiefte Seebass die Pentateuchkritik in den Bahnen der Neueren Urkundenhypothese. Seine dreibändige Auslegung der Genesis und sein Kommentar zum Buch Numeri in der Reihe „Biblischer Kommentar zum Alten Testament“ gehören zu den Früchten seiner Bonner Forschungstätigkeit.

Jahrtausendwende bis heute

Von 2000 bis 2019 wirkte Udo Rüterswörden als Nachfolger von Seebass an der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Neben seiner Expertise im Bereich der semitischen Philologie liegen Schwerpunkte seiner Arbeit auf der Kommentierung des Deuteronomiums und der Erforschung der alttestamentlichen Rechtstradition.

Markus Saur hat 2017 die neu eingerichtete Professur für Exegese und Theologie des Alten Testaments übernommen und verfolgt seine Interessen im Bereich der Psalmen- und Weisheitsforschung sowie der Auslegung des Ezechielbuches.

Jan Dietrich ist seit 2020 – als Nachfolger Rüterswördens – Inhaber der Professur für Literatur- und Religionsgeschichte des Alten Testaments.

Neben den genannten ordentlichen und außerordentlichen Professoren hat eine Reihe namhafter Privatdozenten, außerplanmäßiger Professoren und später außerhalb Bonns wirkender Alttestamentler die Alttestamentliche Wissenschaft in Bonn geprägt. Zu ihnen gehören neben anderen der spätere Mainzer Alttestamentler Friedrich Horst, der spätere Wuppertaler Alttestamentler Robert Bach, der Göttinger Alttestamentler Rudolf Smend, der Heidelberger Alttestamentler Manfred Oeming, der Kölner Alttestamentler Klaus Koenen, der Greifswalder Alttestamentler Stefan Beyerle, der Mainzer Alttestamentler Sebastian Grätz wie auch Hans Strauß, Klaus Grünwaldt, Holger Delkurt und Axel Graupner, die sich um Forschung und Lehre an der Bonner Evangelisch-Theologischen Fakultät verdient gemacht haben.

Markus Saur

Literatur

Das Album Professorum der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1818-1933. Im Auftrag der Fakultät herausgegeben von Heiner Faulenbach (Academica Bonnensia 10), Bonn 1995.

Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Evangelische Theologie (150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818-1968), Bonn 1968.

Heiner Faulenbach, Die Evangelisch-Theologische Fakultät Bonn. Sechs Jahrzehnte aus ihrer Geschichte seit 1945, Göttingen 2009.

Otto Ritschl, Die evangelisch-theologische Fakultät zu Bonn in dem ersten Jahrhundert ihrer Geschichte 1819-1919, Bonn 1919.

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